Mühselig haben wir uns unsere Trainingserfahrung erkämpft und sind durch Höhen und Tiefen, haben Herausforderungen in Trainingssettings gemeistert und uns einen Platz erkämpft, an dem wir uns in Sicherheit wiegen. Wir fühlen uns als Trainer und Trainerinnen wohl in unseren Rollen. Hier kennen wir uns aus. Wir kennen unsere Zielgruppe. Wir kennen die Methode. Wir fühlen uns in Präsenztrainings wie zu Hause und wissen genau, welche Antwort wir auch auf kritische Fragen geben können. Ich würde sogar behaupten, dass wir uns eine Komfortzone eingerichtet haben, deren sichere Basis beinahe nichts erschüttern kann.
Beinahe! – Auch wenn Corona dem Entwicklungsprozess unter die Arme gegriffen hat, kann man mit Sicherheit sagen, dass die Digitalisierung auch ohne Corona Einklang gefunden hätte. Die Digitalisierung hält auch nicht vor Trainingsmethoden und stellt diese vor neue Herausforderungen.
Kaiser Franz Joseph hatte damals nicht an die Ablöse des Pferdes durch das Automobil gedacht…
Natürlich wissen wir inzwischen, dass das eine fatale Fehleinschätzung war, für die er heute sein Gesicht verlieren würde. Dennoch neigen wir oft dazu Ideen und Visionen schnell ins Lächerliche zu ziehen, ohne sich genauer mit den Möglichkeiten und der Eignung auseinanderzusetzen. Und so ermöglicht uns auch die Digitalisierung neue Herangehensweisen in unseren Trainings. Sie bietet uns ein breiteres Spektrum an Methoden und kann durchaus Einfluss auf bisher beschränktere Lerneffektziele nehmen.
Warum brauchen wir diese Digitalisierung überhaupt? Kann nicht alles so bleiben wie es ist?
Natürlich bieten sich die ein oder anderen Themen eher dazu an in Präsenz abgehalten zu werden. Es wäre grundlegend falsch alle Inhalte ab jetzt digital abzubilden. Nichts desto trotz dürfen wir den VUCA Kontext nicht außer Acht lassen. Die Digitalisierung bringt auch viele Vorteile mit sich. Wer sich dieser verschließt, wird auf kurz oder lang nur auf einen geringen Methodenkoffer zurück greifen können. Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit sind vorprogrammiert.
Digitale Komponente in Trainingsmethoden zu verankern hat viele Vorteile:
Wir können dadurch ortsunabhängigere, hybride Lernsettings ermöglichen. Dadurch erreichen wir eine größere Zielgruppe und ermöglichen einen breiteren Austausch.
Durch die Digitalisierung können wir uns einen größeren Repertoire an Lehrmethoden bedienen. Im Umkehrschluss können sich Lernende die Methoden aussuchen, mit denen Sie im jeweiligen Moment am liebsten lernen. Lernende können bestimmen was sie, wann lernen und in welchem Tempo.
Wenn wir ein Präsenztraining besuchen und das Wissen nicht innerhalb kürzester Zeit erneut anwenden können, wird es wieder vergessen. Können wir das erlernte Wissen direkt danach anwenden, oder es sogar während des Prozesses direkt erlernen, kommen wir schnell in die Umsetzung. Dadurch bleibt der Lehrinhalt viel eher hängen (vgl. Beck 2020).
Wir können Erlerntes durch digitale Settings leichter simulieren. Wenn wir das zu Lernende nicht on Demand abrufen können, bieten sich vor allem digitale Elemente an, die das Erlernte simulieren.
Da wir die Lehrunterlagen digitalisiert in einem Ablagesystem speichern, können wir diese auch schnell aktualisieren und so sicher stellen, dass alle Lernenden aktuelle Unterlagen besitzen.
Auch wenn wir in einen Präsenzunterricht Gamification Ansätze einbringen können, kann der Ansatz digital in einer noch größeren Vielfalt ausgeübt werden (Kohnen 2021).
Welche Herausforderungen stellen wir häufig fest?
In der Praxis versuchen traditionelle Trainer:innen in digitalen Zoom-Calls auf alt bewährte Techniken zurück zu greifen, indem sie ihre Präsenztrainings einfach 1zu1 online abspielen. Unsicherheit wird geschürt, weil nicht alle Teilnehmer:innen die Kamera einschalten. Sie wissen nicht wer am anderen Bildschirmende zuhört oder vielleicht sogar aufgestanden ist. Die Stille in den Redepausen und der fehlende gewohnte Bezug zum direkten Gegenüber nehmen noch den letzten Rest der Sicherheit. Am Ende blockieren diese Trainer:innen meist die Möglichkeit Onlinetrainings abzuhalten und behaaren auf den guten alten Präsenztrainings.
Aber was ist das eigentliche Problem? Was benötigt es um digitale Lehrmethoden anzuwenden?
Wir müssen als Trainer:innen endlich beginnen uns mit neuen Lehrmethoden auseinander zu setzen und diese in unsere vorhandenen Konzepte integrieren. Onlinekurse sind nicht gleich handzuhaben wie traditionelle Präsenztrainings.
Wir müssen umdenken und uns für neue Ideen öffnen:
Überarbeitung der Lehrmaterialien

Nicht jede Methode ist für jeden Inhalt geeignet. Es ist wichtig das ganzheitliche Konzept zu betrachten und die spezifischen Inhalte auf geeignete Lehrmaterialien und Methoden aufzuteilen. Ein Onlinetraining erfordert neue Regeln, die wir bereits zu Beginn des Kurses festlegen sollten (z.B. Präsenz durch Kamera). Gerade Onlinetrainings sind sehr energieraubend, weshalb wir Abwechslung in die Trainings bringen müssen. Eine Methodenvielfalt mit viel Interaktion und Gruppenarbeiten ist erforderlich, um Onlinetrainings spannend zu gestalten. Onlinetrainings erfordern noch interaktivere Maßnahmen, als Präsenztrainings, da die zwischenmenschliche Beziehung schwerer aufgebaut werden kann. Onlinewhiteboards, digitale Raumsettings (z.B. Gather.town), digitale Aufwärmspiele und viele weitere digitale Methoden sind vorhanden und warten darauf Verwendung zu finden. Eine Liste der 100 Top Tools 2023 findet sich hier.
Überarbeitung der pädagogisch-didaktisches Medienkonzept

Wir müssen vorhandene Konzepte überdenken und sie durch neue digitale Komponenten erweitern. Es reicht nicht aus alt bewährte Präsenzkonzepte über E-Learnings zu stulpen. Ein E-Learning hat beispielsweise einen anderen Mechanismus und erfordert spezifische, konkrete Inhalte. Während wir im Präsenztraining überschwängliche Erfahrungsberichte teilen können, würden Lernende ein 7-minütiges Audio auf einer E-Learning Folie ohne visuelle Darstellung als mühsam interpretieren. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch Schieb, als er über den EInsatz von Tablets in Schulen berichtete (vgl. Schieb 2020). In einem Präsenztraining kann ich viel eher mit meiner Mimik, meiner Gestik und meinem Gegenüber spielen, als in einem E-Learning. Hier bin ich viel eher gefragt, trotz der Distanz, eine Bindung zu meinen Lernenden aufzubauen.
Zusammenfassend ist klar, wir müssen uns mit den neuen Möglichkeiten auseinander setzen und uns vor der Digitalisierung nicht währen, sondern sie als Chance sehen, eine größere Methodenvielfalt in unsere Trainings aufnehmen zu können. Schlussendlich sollen digitale Tools Präsenzangebote nicht ersetzen, sondern erweitern.
Literatur
Beck, Henning (2020): Das neue Lernen: heißt Verstehen. Lernst du noch oder verstehst du schon? Eine Anleitung für ein modernes Denken in digitalen Zeiten. Ullstein Buchverlage.
Kohnen, Björn (2021): Gamification in der Personalentwicklung. In: Gamification & innovative Lernkonzepte | Haufe Akademie (haufe-akademie.de) [04.09.22.].
Schieb, Jörg (2020): Digitales Lernen: Es braucht überzeugende Konzepte. In: Digitales Lernen: Es braucht überzeugende Konzepte › Digitalistan (wdr.de)[20.09.22.].