Was ist agiles Lernen eigentlich genau?

Auch wenn ich mich bereits kurz mit den Unterschieden New Learning, Lernen 4.0 und Agiles Lernen beschäftigt habe, soll dem agilen Lernen ein weiterer Beitrag gewidmet werden. Agiles Lernen wirkt für mich als Methode des Lernens in Unternehmen deshalb so interessant, weil es sich im aktuellen Diskurs am besten umsetzen lässt. New Learning ist im Vergleich dazu sehr lerner:innenzentriert und bedingt zuvor erste Schritte hin zu New Work als generelles Mindset. Erst dann kann sich New Learning in Unternehmen langfristig durchsetzen. Lernen 4.0 zentriert Technologie. Auch diese Fokussierung hat ihre Berechtigung, ist jedoch in Hinblick auf Personalentwicklung eher als Beisatz zu verwenden.

Agiles Lernen hingegen widmet sich dem Individuum, als auch dem Team und der Organisation selbst. Die Begrifflichkeit leitet sich vom Begriff Agiles Arbeiten ab, dessen Rahmen im oft zitierten Manifest für agile Softwareentwicklung (4) ausformuliert wird. Es gibt Lernelemente die Mitarbeiter:innen lernen müssen, auch wenn dies nicht unbedingt aus freien Stücken geschieht. Der New Learning-Ansatz hingegen beleuchtet die Frage „Will ich das wirklich?“ durch allen drei Betonungsmöglichkeiten.

Agile Arbeitsweisen haben in den meisten Firmen erst kürzlich in unserem Alltag Einklang gefunden. Daher bedarf es in erster Linie einer Veränderung hin zu agilen Lernformaten, bevor wir den nächsten Schritt der New Learning Bewegung verinnerlichen.

Was macht Agiles Lernen aus?

Erstausbildungen und externe Weiterbildungen reichen schon lange nicht mehr aus um den Arbeitsalltag mit all seinen Herausforderungen bewerkstelligen zu können. Die Aktualität des Wissens ist zu schnelllebig geworden und Unternehmen sind inzwischen zu spezialisiert und situationsabhängig um dies in allgemeinen Ausbildungen und Seminaren abdecken zu können (1).

Die Welt ist in einem permanenten Wandel. Wir Leben in einer VUCA Welt oder auch BANI Welt, wie sie von James Cascio weiterentwickelt definiert wurde (2). Dies fordert uns regelmäßig auf uns neu zu orientieren. Daher muss eine Organisation zwingend die Mitarbeiter:innen und deren Lernbedarf in den Vordergrund stellen. Lernen MUSS ein Organisationsthema werden um wettbewerbsfähig zu bleiben. Daher verschwimmen alte Konzepte des Frontaltrainings und Seminarbesuche und werden durch agilere Methoden ersetzt. Es bedarf Methoden die veränderbar sind und sich dem Wandel anpassen können (3). Lernen soll schnelllebiger sein, es soll reflexiver und auch individualisierbar sein. Ein/e Mitarbeiter:in soll genau den Lerninhalt lernen, den er oder sie auch gerade in diesem Moment benötigt. Sollten sich Lernnotwendigkeiten ändern, muss direkt auf diese Veränderung agil eingegangen werden können (3). Dies soll einerseits in Hinblick auf den Lerninhalt, andererseits auch in Hinblick auf die Lernmethode selbst agil formbar sein.

Arbeiten und Lernen verschmelzen im agilen Lernprozess. Wir definieren in Zukunft was wir lernend bearbeiten wollen und können individuell neu anpassen. Aus diesem Grund sind Fehler natürlich und auch gewollt. Aus Fehlern kann gelernt werden. Daher sind regelmäßige Reviews und Loops von großer Bedeutung. „Es braucht ein Lernen, das eigene Erfahrungen in einem realen Kontext ermöglicht sowie Raum zu umfassender Reflexion gibt.“ (1). Eine Reflexion kann wiederum nur durch das Team, die Organisation und letztendlich auch eine/n Lernbegleiter:in erfolgen, der/die ein Wachsen an den Aufgaben ermöglichen kann. Die klassische Trainer:innenrolle entfällt dadurch und wird im agilen Lernen durch diese Lernbegleiter:innen in Bahnen gelenkt. Wir sind zunehmend mit neuen Arbeitsaufgaben beschäftigt, deren Abarbeitung einen vorherigen Lernprozess voraussetzt. Durch agile Lernmethoden können wir uns nötige Kompetenzen aneignen, diese durch Lernbegleiter und Lerngruppen reflektieren und gleichzeitig auch in das eigene Handeln integrieren und unsere Prozesse optimieren.

Klar ist, wir haben es beim agilen Lernen mit einer komplexen Lernform zu tun, die nicht nur durch das Individuum ausgeführt werden kann, sondern durch mehrere Ebenen führt. Für agiles Lernen in Unternehmen ist dabei abseits von der Methode wichtig zu wissen auf welchen drei Ebenen Lernen stattfindet und wie sie sich gegenseitig beeinflussen:

  1. Peron/Individuum
  2. Organisation
  3. Umfeld/Team

Wir haben einerseits geklärt, dass Lernende eine zentrale Rolle in der Ausrichtung des Lerninhaltes spielen. Aber auch der zu lernende Inhalt, der im Interesse der Organisation steht ist entscheidend. Ergänzend dazu setzen agile Organisationen auch auf temporäre Teams, die in agilen Projektzyklen Arbeitsaufgaben abarbeiten. Diese drei Ebenen stehen in einem direkten Zusammenhang miteinander. Einen großen Outcome werden wir erzielen, wenn sich die Bedürfnisse aller drei Ebenen decken. Wenn das Team, als auch das Individuum und die Organisation Interesse an einem Lerninhalt haben, wird der Lerninhalt viel Zustimmung erfahren und das Ziel schnell erreicht sein. Stellt einer Ebene die Sinnhaftigkeit in Frage, ist das Lernprojekt gefährdet (3).

Welche Vorteile kann ein Unternehmen aus agilen Lernformen ziehen?

Die Vorteile agilen Lernens (1):

•    Lernen passiert direkt dann, wenn der bestimmte Inhalt für Arbeitsschritte benötigt wird. Dadurch kann das direkt im Alltag angewendet werden.

•    Auch für die Motivation ist der Faktor Learning on Demand förderlich.

•    Es kann flexibel auf neue Entwicklungen eingegangen werden

•    Der Lernzugang ist der Praxisnahe, daher kann auch der Inhalt leichter erneut abgerufen werden

Wie und in welcher Form kann agiles Lernen umgesetzt werden?

Bei agilem Lernen geben wir durch Strukturen und Prozesse eine Orientierung, wir geben aber keinen Lerninhalt als Rahmen vor. Der Lerninhalt wird agil ergänzt (3). Im Buch „Agiles Lernen in Unternehmen“ werden hier drei Anforderungen genannt, die erfüllt sein müssen um agile Lernkonzepte umsetzen zu können (1):

1)   Inhaltliche Anpassung – damit wir neues schnell erfassen können

2)   Anschlussfähigkeit – Möglichkeit der ressourcenschonenden Neuanpassung

3)   Hohe Skalierbarkeit – Adaptierbarkeit von Stunden bis hin zu Tage

Agile Formate können dabei Barcamps, Hackathons oder auch WOL (Working out Loud) Sessions sein.

Zusammengefasst lässt sich Agiles Lernen am besten mit Petra Grafs agilen Prinzipien des Lernens beschreiben:

  • „Unsere höchste Priorität ist der Lernerfolg durch schnelle Bereitstellung individuell nützlicher Angebote.
  • Änderungswünsche sind willkommen, auch in laufenden Lernprogrammen, denn es geht um die „Wettbewerbsfähigkeit“ des Lerners.
  • Lernen erfolgt kontinuierlich und wird in kurzen Zyklen reflektiert.
  • Lernen wird cross-funktional konzipiert und realisiert.
  • Organisiere Lern-Teams um motivierte Lerner herum. Lerner erhalten alle sinnvollen Rahmenbedingungen, agieren aber selbstbestimmt.
  • Die beste Art der Kommunikation ist von Angesicht zu Angesicht (unverändert).
  • Lernerfolge im operativen Alltag sind die Maßeinheit des Fortschritts.
  • Alle Stakeholder sollten einen kontinuierlichen Lernfluss aufrechterhalten.
  • Kontinuierliches Streben nach Exzellenz und hoher Produktivität verstärkt Lernen.
  • Einfachheit, die Kunst, Dinge nicht zu tun, ist essentiell (unverändert).
  • Die besten Ergebnisse kommen aus selbstorganisierten Lern-Teams (Vorrang für soziales Lernen).
  • In regelmäßigen Abständen reflektiert das Team Möglichkeiten, noch besser zu werden, und setzt entsprechende Maßnahmen um (unverändert).“ (6)

Agiles Lernen wird zukünftig die Voraussetzung sein um den eigenen Unternehmenserfolg sicherstellen zu können und wettbewerbsfähig zu bleiben. Was sich in der Theorie schnell umsetzen lässt, bedarf in der Praxis oft einen langen Entwicklungsprozess. Wir müssen verstehen, dass Lernen in Zukunft nicht mehr wegzudenken ist und einen hohen Stellenwert einnehmen muss. Es müssen zusätzliche Ressourcen wie Zeit, Geld und Raum geschaffen werden, um Lernen in Unternehmen als wichtiges Gut zu etablieren. Auch durch Einflüsse der KI Entwicklung und das Lernen mit Avataren in einem virtuellen Raum entwickeln sich neue Möglichkeiten. Wir müssen uns mit der Frage beschäftigen wie wir die IT für unsere Lernprozesse ideal nutzen können und welche Voraussetzungen und Strukturen geschaffen werden müssen um den Output zu optimieren, etische Aspekte aber nicht außer Acht zu lassen. Hier haben wir mit Sicherheit noch einen weiten Weg vor uns.

Literaturverzeichnis:

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